In der „Sauren-Gurken-Zeit“, also im Hochsommer, wenn sonst nicht viel los ist, suchen die Massenmedien fieberhaft nach Themen, die ihnen schöne Überschriften bescheren.
Im Sommer 2012 war eines davon die Sorge um den Fortbestand der österreichischen Sprache – oder „Ösi-Deutsch“, wie manche Deutsche (die typischen „Piefkes“ also…) etwas abwertend unsere Sprachvarietät nennen. So schrieb das Magazin „Focus“, dass „Österreich um „Stiege“ und „Marille bange[1]“, die Salzburger Nachrichten befürchteten, dass „Norddeutsch die österreichische Sprache[2]“ verdränge und die Süddeutsche Zeitung titelte gar, dass „Bundesdeutsch“ den „Paradeiser“ [3] sekkiere. „Obacht, die Hochdeutschen marschieren![4]“, schrieb Silke Burmester in ihrer satirischen Kolumne und bedauerte uns Österreicher, denn „wir haben es nicht leicht!“ Stimmt wohl, denn schließlich wusste ja bereits vor rund 100 Jahren Kaiser Franz-Josef, dass uns auch schon gar nichts erspart bleibt!
In regelmäßigen Abständen bemühen sich „Sprachbewahrer“ um den Erhalt unserer österreichischen Sprache, denn Sprache schafft bekanntlich Identität – und wer will diese schon verlieren? So publizierte im Juli 2012 der emeritierte Germanist Peter Wiesinger seine Untersuchung über aussterbende Austriazismen. Zwar weiß Wiesinger, dass es unmöglich ist, den Prozess des Sprachwandels zu stoppen – denn Sprachen verändern sich dynamisch. Doch will er den Einfluss des „Norddeutschen“ zumindest bremsen, was freilich schwierig sei, weil seiner Ansicht nach die Schulbücher dem Ansturm des mächtigeren „Norddeutsch“ bereits nachgegeben hätten und leider auch im Unterrichtsministerium eine andere Ansicht als seine vorherrsche.
Wann immer es um den Erhalt der Muttersprache geht, dann steigen die Emotionen hoch. Gemäßigte Zeitgenossen zucken resigniert mit der Schulter, weil sie wissen, dass Sprachveränderung ein unaufhörlicher Prozess ist. Oder weil ihnen das Thema egal bzw. „wurscht“ ist. Andere hingegen kämpfen in der Manier des Don Quichotte leidenschaftlich dagegen an. Unvergesslich bleibt dem Autor dieser Zeilen ein Lehrer aus dem Tiroler Oberland, der Schüler laut brüllend im Schulhaus zurechtwies, wenn sie in seiner Gegenwart ein Fremdwort wie „super“ oder – noch schlimmer – „cool“ verwendet hatten. Auch ein Hans Weigel versuchte sich Anfang der 70er Jahre mit seinem Werk „Die Leiden der jungen Wörter[5]“ gegen den Einfluss sämtlicher Fremdwörter zu stemmen – vergeblich, wie die jüngere Geschichte belegt, denn Massentourismus, Kabelfernsehen und vor allem Internet öffneten den neuen Wörtern Tür und Tor. Und niemand dürfte diesen massiven Ansturm der fremden Wörter aufhalten können – wie uns übrigens auch die Sprachgeschichte belegt.
„Der Österreicher unterscheidet sich vom Deutschen vor allem durch die gemeinsame Sprache“, soll Karl Farkas in Anlehnung an Oscar Wilde einmal gesagt haben. Kann sein, dass wir in Zukunft mehr gemeinsame Wörter haben werden und einzelne österreichische Begriffe zugunsten eines Einheitsbreis verschwinden werden, welche Gründe es auch immer dafür geben mag.
Derzeit können wir uns aber noch an sehr vielen Unterschieden erfreuen, auch wenn Fisolen und Paradeiser den Kampf gegen Bohnen und Tomaten verloren haben und im Rückzug befindlich sind. Ob es stimmt, dass „Österreichisch schwindet[6]“, ist jedoch zu bezweifeln, weil sich regionale Ausprägungen wohl weiterhin entwickeln werden. Und nicht jedes Wort wird sich hierzulande durchsetzen können, wie Professor Wiesinger anführt, denn ein Wort „wie „Tüte“ löst bei den meisten Österreichern spontanes Lachen aus“.
Trotzdem wäre es jedenfalls sehr schade, wenn eines Tages „Österreichisch“ aussterben sollte, weil dann solche Dialoge beim Frühstück nie wieder entstehen könnten…
Sie: „Schatzi, magst du die Knifte essen?“
(Schatzi denkt nach… )„Die Knifte? Was ist das denn bitte?“
Sie: „Na, der Knapp halt…“ (Sie deutet auf das Randstück des Biobrotes.)
Schatzi: „Ach, das Scherzl meinst du“… „Alles klar![7] Dann bestreiche ich eben meine „Knifte“ mit etwas Butter!“
Interessant für
Deutsch
<rw>
[1] http://www.focus.de/panorama/welt/korr-ausland-oesterreich-bangt-um-stiege-und-marille_aid_797496.html (abgerufen am 10. 8. 2012)
[2] http://www.salzburg.com/nachrichten/oesterreich/kultur/sn/artikel/norddeutsch-verdraengt-oesterreichische-sprache-24673/ (abgerufen am 25. 9. 2012)
[3] http://www.sueddeutsche.de/medien/oesterreichische-sprache-in-not-bundesdeutsch-sekkiert-den-paradeiser-1.1438109 (abgerufen am 11. 8. 2012)
[4] http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/das-hochdeutsche-ist-in-oesterreich-auf-dem-vormarsch-a-850479.html (abgerufen am 19. 8. 2012)
[5] Eine kritische Stimme nannte Weigels Buch in der „Zeit“ „die hilflosen Turnübungen eines Reaktionärs an einer Fiktion“.
[6] http://www.vds-ev.de/infobriefe2012/1099-vds-infobrief-32-2012
[7] Scherzl: vom italienischen Wort “scorza” (Rinde); http://bar.wikipedia.org/wiki/Scherzl