Werden die Falschen Lehrer/innen?

Zwei Dinge stimmen mich schon seit Jahren auf den Beginn des neuen Schuljahres ein. Zum einen beschäftigt mich  in den letzten Ferientagen immer wieder derselbe Traum. Und zum anderen entdecken die Medien nach der Sommerpause das Thema Schule und befassen sich erneut mit uns Lehrern/innen und den Problemen der Schule.

Reißt mich also kurz vor dem Klingeln des Weckers ein bekannter Traum aus dem Schlaf, dann ist das ein klarer Hinweis auf den Schulanfang. Die Geschichte, die mir mein Unterbewusstes vorgaukelt, verläuft in groben Zügen so, dass ich mich im Konferenzzimmer einer mir unbekannten Schule befinde. Die Schülerinnen und Schüler der Maturaklasse sind vollständig im Klassenzimmer versammelt und warten gespannt auf mich, denn – das weiß ich – heute haben wir Schularbeit.  Doch ich kenne mich in dem Gebäude nicht aus, bin außerdem vollkommen unvorbereitet und daher furchtbar nervös.

So stöbere ich planlos in meinen Unterlagen am Tisch herum und durchsuche mein Fach im Konferenzzimmer nach Dingen, mit denen ich schnell noch eine Schularbeit erstellen könnte. Nichts Brauchbares da! Fieberhaft überlege ich, wie ich zu den Daten auf meinem Rechner komme, um doch noch die Arbeit abhalten zu können, versuche hektisch über den Schulrechner in meinen Online-Ordner zu kommen, finde aber auch dort nichts Sinnvolles und … wache mit klopfendem Herzen schlagartig auf!

Die Schule beginnt!

Seit vielen Jahren kündigt mir dieser Traum in der letzten Ferienwoche verlässlich den Anfang des neuen Arbeitsjahres an, mein Unterbewusstsein beschäftigt sich nach den entspannten Sommerwochen wieder mit den Dingen des Lehreralltags. Und gaukelt mir nach der ausgedehnten Erholungsphase vor, dass ich eine wichtige Arbeit  vergessen und mir deswegen eine furchtbare Blöße gegeben hätte. Dabei ist mir eine solch peinliche Situation in über 30 Berufsjahren noch nie passiert…

Das neue Schuljahr beginnt, zweifellos, und nicht nur mein Unterbewusstsein setzt sich wieder mit der Schule auseinander, auch viele Medien beschäftigen sich nach der „Sauren-Gurken-Zeit“ mit schulischen Themen, von den Gratisblättern bis hin zu den meinungsbildenden Medien wie der Spiegel und die Zeit.

Weekend.at schreibt z.B. über alternative Angebote wie Montessorischulen und über den häuslichen Unterricht der „Freilerner“. Zitiert wird auch Andreas Salcher, der davon spricht, dass neben „Sprachkenntnissen und einem naturwissenschaftlichen Grundverständnis“ vor allem „drei Werte die Zukunft bestimmen werden: zwischenmenschliche Fähigkeiten, Verantwortung und Verständnis dafür, dass wir auf der Erde Teil eines gemeinsamen Ganzen sind[1]. Eine kluge Aussage, die sich in jedem Curriculum als Präambel gut machen würde!

Der Spiegel hingegen berichtet davon, dass es anders als früher sehr schwierig geworden ist, Lehrer/innen für eine Schulleitung zu finden. Außerdem beschäftigt sich das Magazin mit unserem nicht immer ganz so einfachen Alltag in der neuen Folge der Lehrergeständnisse[2], in denen ein 38-jähriger Lehrer darüber schreibt, „wie Schule wirklich ist“ und wie er die Zeit in einer unvorbereiteten Schulstunde totschlägt.

Denn „es ist der Alptraum von Referendaren, aber die Realität vieler Lehrer: unvorbereitet in den Unterricht zu gehen. Die 26 Wochenstunden sind ohne die sogenannte Schwellenpädagogik nicht zu schaffen (…). “

Nun ja… Meiner Erfahrung nach ist der Sachverhalt ein vollkommen anderer. Es mag durchaus an jeder Schule einzelne (und nicht „viele“!) Kolleginnen und Kollegen geben, die nach dieser „Methode“ arbeiten. So wie ich es erlebe, erlaubt jedoch das Berufsethos den meisten Lehrerinnen und Lehrer nicht, derart stümperhaft die Zeit zu vergeuden.

Wie wirklich ist die (schulische) Wirklichkeit?

Diese provokante Behauptung ist freilich Wasser auf die Mühlen vieler Kritiker, die uns Lehrerinnen und Lehrer gerne als überforderte Menschen darstellen, die eigentlich fehl am Platz sind und nicht genau wissen, was sie tun und wo sie eigentlich hinwollen. Dass sie noch dazu von einem Lehrer kommt, stimmt allerdings bedenklich!

In die gleiche Kerbe schlägt am 18. August 2014 ein Doppelkommentar in der Zeit[3] mit dem provokanten Titel „Werden die Falschen Lehrer?“

Die Zeit-Redakteurin Inge Kutter bezieht sich darin auf eine aktuelle Studie des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft[4] und vergleicht die Position eines Lehrers mit der eines Topmanagers. Sie vertritt die Meinung, dass wirklich kluge Schüler „lieber Manager“ werden, weil nämlich „Leistung in der Schule nicht zähle“.

Und diejenigen, die sich letztlich für den Lehrberuf interessieren, seien nicht dafür geeignet, denn über 80 Prozent der interviewten 18-Jährigen, die ein Lehramt studieren wollen, gaben an, dass sie sich nicht gut durchsetzen können und sich nicht viel zutrauen. Daher, so die eigenartige Schlussfolgerung, sei es kein Wunder, dass diese später ihre Schüler nicht im Griff haben werden.

Der Autorin zufolge werden ehrgeizige Menschen auch deswegen nicht Lehrer/in, sondern Manager/in, weil sie im Leben Entscheidungen treffen wollen und nicht fremdgesteuert von „den wechselnden Vorgaben der Behörden und den wachsenden Ansprüchen der Eltern“ sein wollen.

Werden doch die Richtigen Lehrer/in?

Im zweiten Kommentar bemüht sich Thomas Kerstan, die einseitige Sichtweise von Frau Kutter zu relativieren, indem er darauf verweist, dass ihre negative Meinung in Deutschland zu den „Alltagsmythen“ gehöre. Studierende, die auf ein Lehramt studieren, unterscheiden sich weder durch ihre Zeugnisnoten noch in den Ergebnissen von Intelligenztests von den Studierenden anderer Studienrichtungen!

Kerstan verzichtet in seinem Text aufs Anekdotische und vertritt die Ansicht, dass sich die meisten Lehrer/innen gerne und hochmotiviert mit Kindern und Jugendlichen beschäftigen und den „Dienst an der Gesellschaft“ sehr schätzen! Dass „ein Fünftel der Lehrer den Beruf mit angezogener Handbremse betreibe“ sei aber vergleichbar mit anderen Berufen.

Die Schule beginnt also wieder und so wie jedes Jahr sehen wir uns mit vielen Tipps, Ratschlägen und Kritiken konfrontiert.

Ein wenig ist es ja mit unserem Beruf wie mit dem Fußball. Jeder Zuschauer, jede Zuschauerin, jeder Fan ist davon überzeugt, bestens über alles Bescheid zu wissen und mitreden zu können. Manches ist durchaus sinnvoll, manches nicht, einiges ist haarsträubend.

Nichtsdestotrotz freue ich mich wieder sehr auf den Neubeginn und wünsche Ihnen ein erfolgreiches und freudvolles neues Schuljahr!

<rw>

[1] Vgl. Weekend.at http://goo.gl/6cuOjk abgerufen am 13. 9. 2014

[2] Vgl. Der Spiegel.de http://goo.gl/s2taJ8 abgerufen am 13. 9. 2014

[3] Vgl. Die Zeit: http://goo.gl/Nic2a0 abgerufen am 13. 9. 2014

[4] www.hochschulbildungsreport2020.de abgerufen am 13. 9. 2014