„Wir sind alle an der Zukunft interessiert, weil das der Ort ist, an dem Sie und ich den Rest unseres Lebens verbringen werden,” hat Woody Allen
einmal in gewohnt pointierter Weise gesagt. Mit diesem „Ort“ beschäftigt sich der Zukunftsforscher Matthias Horx in seinem im November 2013 erschienenen Buch[1] „Zukunft wagen“ und legt den Fokus vor allem darauf, warum viele Menschen so düstere, dystopische[2] Vorstellungen davon haben.
Wie wird wohl unsere Zukunft aussehen? Wer möchte das nicht gerne wissen! Wenn Sie sich darunter z.B. fliegende Fahrzeuge vorstellen, die zwischen faszinierenden Gebäuden schweben, oder den Aufbruch der Menschheit zu fernen Galaxien usw.: dann sind Sie wahrscheinlich ein Mann! Vergegenwärtigen Sie sich hingegen exotische Hügellandschaften mit klassischen griechischen Bauelementen, in der sich zwar Fabeltiere wie Einhörner aufhalten, Männer aber eher selten, dann sind Sie mit großer Wahrscheinlichkeit eine Frau (S. 168).
Frauen und Männer sehen die Zukunft als Ort unterschiedlich, doch eines fühlen beide Geschlechter, wenn sie an das Kommende denken: Angst. Denn Angst ist das dominierende Gefühl, das heute viele Menschen beim Gedanken an die Zukunft erfasst. Warum ist das so? „Wir sind die Nachfahren der Ängstlichen“, schreibt Horx und führt aus, wie lebensnotwendig es stammesgeschichtlich einerseits war bzw. ist, Angst zu haben und entsprechend vorsichtig zu agieren. Und wie sehr uns dieses Gefühl, wenn es uns beherrscht, auf der anderen Seite negativ beeinflussen kann, uns jegliche Perspektive rauben und das Leben vergällen kann.
Wir unterscheiden uns von den Tieren dadurch, so der Autor, dass wir „prädikativ“ Angst haben und zwar in der Form, dass wir auf der Basis unserer bisherigen Erfahrungen versuchen, Zukünftiges einzuschätzen. Wenn wir vor einer unbekannten Herausforderung stehen, vergleichen wir sie mit dem, was wir bereits kennen, mit den gespeicherten Denkmustern und werten so das Risiko, das damit verbunden sein könnte. Wir sind außerdem „evolutionär konstruiert“, Angst zu haben. Denn diese setzt im Notfall Adrenalin frei, beschleunigt synaptische Reaktionen und aktiviert Bereiche unserer Wahrnehmung, die wir sonst im Alltag nicht benötigen. Angst ermöglicht somit kurzfristige körperliche Höchstleistungen, die uns im entscheidenden Moment das Leben retten können.
Dominiert jedoch dieses Gefühl aufgrund verschiedener schlechter Erfahrungen unser Leben und erheben wir es gleichsam zum Leitmotiv, dann beherrscht uns damit unsere Vergangenheit und verwehrt uns die Chance, Neuem gegenüber offen zu sein und sinnvolle, zukunftsgerichtete Entscheidungen zu treffen.
Wir lieben die Apokalypse
Es ist ein Phänomen unserer Zeit, das wohl in engem Zusammenhang mit der Globalisierung steht: viel zu oft übernehmen wir unsere Ansichten von den Massenmedien, die häufig nach dem Motto agieren, dass nur schlechte Nachrichten gute Nachrichten seien. Denn diese verkaufen bekanntlich mehr Zeitungsausgaben als positive! Und so werden wir heute förmlich zugepflastert mit schlechten Nachrichten aus aller Welt, denn wir haben ja nicht mehr nur zwei Fernsehprogramme wie in den 70er Jahren, sondern mehrere Dutzend Kabelsender.
Oder mehrere hundert Satellitensender. Naturkatastrophen auf anderen Kontinenten, zigtausend Kilometer entfernte Kriegshandlungen, Gewaltverbrechen, die ein Helikopter per Live-Kamera auf den Fernseher ins Wohnzimmer liefert (oder aufs Handy): Während es vor dem Internet, vor Fernsehen und Radio Wochen oder Monate gedauert hätte, bis wir von dem verheerenden Sturm auf den Philippinen gehört hätten, sind wir heute durch Live-Berichte der Medien und Social-Media-Beiträge der Betroffenen quasi vor Ort und erleben alles hautnah mit.
Und doch ist vieles anders, als die Medien es uns weismachen wollen, schreibt der Journalist Horx. Die Energiekrise ist bei weitem nicht so problematisch, wie von den Medien dargestellt und der Klimawandel, das zeichnet sich eindeutig ab, fällt wesentlich moderater aus als befürchtet.
Das in den 80er Jahren beschworene Waldsterben war Panikmache der Medien und hat nie stattgefunden und auch das Ozonloch ist längst kein Thema mehr, da sich diese Schutzzone[3] selbst regeneriert hat. Und die Finanzkrise des Jahres 2008 geistert zwar wie früher das Monster vom Loch Ness in gewisser Regelmäßigkeit durch die Medien, dürfte aber mittlerweile schon längst überwunden sein.
Das Geschäft mit der Angst
Mit der Angst lässt sich also viel Geld machen. Versicherungen bieten uns heute für jede Eventualität spezifische Pakete an, die uns im Fall des Falles helfen sollen, alle Unbill des Schicksals zumindest finanziell auszugleichen.
Und wem das nicht reicht, der kann inzwischen übers Internet einen von vielen hundert Kartenlegern, „Energiearbeitern“, „Engelsmedien“, „Lichtarbeitern“ oder „hellsichtige Medien“ kontaktieren, um sich ganz einfach per Chat oder Telefon die eigene Zukunft vorhersagen oder gar positiv beeinflussen lassen. Auch der Esoterik-Branche bietet das vorherrschende allgemeine Angstgefühl exzellente Möglichkeiten, um mit Menschen ihr Geld zu verdienen, denen es in der Gegenwart nicht gut geht und die sich vor der Ungewissheit ihrer Zukunft fürchten.
Warum ist es aber so, dass wir gerade in einer Zeit, in der wir über Sicherheit, Freiheit und Wohlstand (S. 35) in einem nie vorher erlebten Ausmaß verfügen, in Deutschland und Österreich derart viel Angst vor der Zukunft erleben?
Horx begründet das damit, dass bei uns vor allem eine bedeutende Ressource fehlt, die der Angst entgegenwirkt: das Vertrauen! Der Autor führt als Beleg für seine These die skandinavischen Länder Schweden, Norwegen und Dänemark an, die nach der UN-Studie „World Happiness Report[4]“ zu den glücklichsten Ländern der Welt gehören
Denn anders als bei uns oder auch z.B. in Italien haben die Bürger/innen dieser Länder, aber auch die Schweizer und Niederländer eine besondere Kooperationskultur entwickelt, die es ihnen erlaubt, den Nachbarn, den staatlichen Institutionen, der Polizei, ja sogar den Politikern zu vertrauen. „Vertrauen ist ein enorm wichtiges Produktivkapital“, schreibt er (S. 42), denn „wer vertraut, gibt etwas und bekommt mit hoher Wahrscheinlichkeit etwas zurück“.
In solch einem System der Kooperation können Zuversicht und Hoffnung gut gedeihen, Dinge, die neben Vertrauen und Humor zu den wichtigsten Ingredienzien für eine positive Sicht der Zukunft gehören. „Wir können zwar nicht die Zukunft für unsere Kinder vorbereiten, aber wir können zumindest unsere Kinder für die Zukunft vorbereiten“, meinte der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt einmal.
In seinem Buch „Zukunft wagen“ fordert uns Matthias Horx auf, Mut und Zuversicht zu haben und stellt ins Zentrum seines Werks die Frage Platons „Was dürfen wir hoffen?“, die er ausführlich behandelt.
Nein, die Menschheit steuert nicht auf den Abgrund zu und nein, der Untergang ist nicht nahe, wie uns einige amerikanische Religionen oder auch der „Club of Rome“ immer wieder verkünden. Denn nicht nur die Natur, sondern auch die menschliche Gesellschaft sind laut Horx komplexe dynamische Netzwerke, die im Laufe der Evolution gelernt haben, auf Störungen entsprechend zu reagieren und dagegen zu steuern.
Und Krisen sind für das Gesamtwohl nicht selten förderlich, es gibt genügend historische Belege dafür, dass Stabilität aus Instabilität (S. 103) entstehen kann. Seien wir also gelassen, ja optimistisch und vertrauen wir auf Horx’ Thesen: Denn die Voraussetzungen dafür, eine positive Zukunft zu erleben, sind hervorragend, besser als sie es je für eine Generation vor uns waren!
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[1] Horx, Matthias: Zukunft wagen. Über den klugen Umgang mit dem Unvorhersehbaren. DVA Sachbuch. München 2013. ISBN: 978-3-421-04444-0
[2] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Dystopie abgerufen am 4. 2. 2014
[3] Vgl. www.spiegel.de/thema/ozonloch/ abgerufen am 4. 2. 2014
[4] Quelle: http://unsdsn.org/happiness/ abgerufen am 4. 2. 2014