Für den Wissenschaftler Joseph Weizenbaum war das Internet schon in den 90er Jahren ein großer „Misthaufen, in dem man allerdings kleine Schätze und Perlen finden kann[1]“. Diese Aussage charakterisiert heute auch bestens das mittlerweile riesige Angebot, das wir auf Youtube vorfinden.

Ein Schatz, den wir auf Youtube heben können, ist z.B. Pasi Sahlbergs[2] sehenswerter Vortrag an der Vanderbilt Universität in Nashville. Erstaunliches erzählt der finnische Bildungsexperte und Buchautor darüber, weshalb das finnische Schulsystem in knapp 30 Jahren von einem ziemlich schlechten zu einem hervorragenden wurde.
Der finnische Weg: Exzellenz durch Chancengleichheit
Anders als in den USA geht es in Finnland in der Ausbildung um Chancengleichheit[3] der Schüler/innen und nicht um akademische Exzellenz, sieht man doch dort Bildung als Menschenrecht an. Damit Bildung nicht wie anderenorts schichtenspezifisch vererbt wird, kostet sie im PISA-Vorzeigeland nichts. Und um möglichst viele Kinder fördern zu können und die Selektion nicht so früh über das Schicksal eines jungen Menschen entscheiden zu lassen, vereinfachte man die Schullandschaft und etablierte die „Einheitsschule“ für die Sieben- bis 15-Jährigen.
Während alle in diesem Alter die gemeinsame Schule besuchen, bemühen sich die Finnen allerdings im oberen Sekundarbereich sehr um die individuellen Fähigkeiten und persönliche Förderung der Jugendlichen, denn dort erhält jeder sein individuelles Curriculum!
„Jeder ist ein Genie. Wenn man aber einen Fisch danach beurteilt, ob er auf einen Baum klettern kann, wird er sein ganzes Leben lang denken, er sei dumm![4]“
Sahlberg betont in seinem Vortrag auch, dass seiner Meinung nach ein wesentlicher Unterschied sei, dass in Finnland wesentlich weniger an der Schule getestet werde als in Ländern wie den USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Japan. Vielmehr sei das Motto der Skandinavier:
„Weniger testen, statt dessen mehr lernen!“
Daher weigerte man sich in Finnland in den Jahren 2000 bis 2006 beharrlich, standardisierte Tests einzuführen. Mit dem höchst erstaunlichen Resultat, dass die Leistungen der 15-Jährigen in Mathematik deutlich anstiegen!
Positives Berufsimage
Anders als hierzulande ist der Lehrberuf in Finnland seit der Reform sehr angesehen. Sahlberg nennt mehrere Gründe, weshalb Lehrer/innen in der Öffentlichkeit gut dastehen. So haben dort nur die besten Maturant/innen eine Chance, einen Studienplatz an der Uni zu bekommen.
In dem kleinen Land im hohen Norden mit seinen 5, 4 Millionen Einwohnern bewerben sich jährlich zwischen 5.000 und 7.000 Interessierte für eine Grundschulausbildung, doch nur 10% davon werden aufgenommen. Es ist mittlerweile sehr schwierig, so Sahlberg, die anspruchsvolle Aufnahmeprüfung zu bestehen. Eine Zulassung zum Studium bedeutet übrigens, nach dem Studium auch fix eine Stelle zu bekommen!
Darüber hinaus sind Lehrer/innen in Finnland sehr zufrieden mit ihrem Beruf, denn während z.B. in den USA die Hälfte der Junglehrer/innen in den ersten Jahren den Beruf enttäuscht wieder aufgibt, wechselt in Finnland kaum jemand den Beruf.
Finnische Lehrer/innen unterrichten auch nur halb so viel wie die amerikanischen Kolleg/innen, sind aber neben der Unterrichtsarbeit verantwortlich für das Wohlbefinden ihrer Schüler, zuständig für das Schulcurriculum und dokumentieren regelmäßig in Berichten für Eltern und Behörden die Fortschritte ihrer Schüler/innen.
Was könnten wir vom finnischen Weg lernen?
Während man in vielen Ländern in der Bildungslandschaft Wert auf den akademischen Anspruch, auf eine Standardisierung der Verfahren und auf Wettbewerb legt und häufig sehr komplexe, historisch gewachsene Schulsysteme beibehält, sieht der finnische Ansatz vollkommen anders aus. Der Virus der Globalisierung, so Sahlberg, habe Finnland noch nicht befallen.
Das finnische System sei gerade deswegen so erfolgreich, weil man Wert darauf legt, dass sich der ganzheitliche Ansatz und der akademische im Gleichgewicht befinden und weil man sich außerdem gegen jede Form der Standardisierung wehre.
Stattdessen stelle der finnische Weg vielmehr eine Politik der Personalisierung und Individualisierung dar, denn jede Schule ist für ihr Curriculum selber verantwortlich und in den höheren Schulen hat jeder Schüler seinen eigenen Studienplan. Anders als in den oben genannten Ländern erachte die finnische Gesellschaft zudem den Wert der Gemeinschaft wichtiger als den Wettbewerb, was sich auch an den Schulen widerspiegle.
All diese Faktoren, sowie die Aufwertung der Kindergartenpädagog/innen durch eine akademische Ausbildung, haben seit den 70er Jahren dazu beigetragen, dass das finnische Schulsystem von einem unterdurchschnittlichen zu einem exzellenten wurde.
Interessant für:
Allgemein, Pädagogik, Psychologie
<rw>
[1] FAZ, 2008. http://bit.ly/17v8WAV
[2] http://www.youtube.com/watch?v=2kK6u7AsJF8 (Vortrag in englischer Sprache)
[3] Das finnische Bildungssystem: http://de.wikipedia.org/wiki/Bildungssystem_in_Finnland
[4] Das Zitat wird Albert Einstein zugeschrieben.