Wir alle kennen sie aus der Praxis, die Kolleginnen und Kollegen, die sich bereits kurz nach den Sommerferien morgens in die Schule quälen und unter der Last des bevorstehenden Alltags stöhnen. „Schon wieder ein neuer Tag,“ pflegte z.B. Kollege XY an meiner Schule jede Woche mehrmals kurz vor acht Uhr zu seufzen, bevor er in die Klasse oder in den Turnsaal ging. Wo dann die Jugendlichen sehr unter ihm litten, denn er schenkte weder sich etwas noch seinen SchülerInnen.
Lehrerinnen und Lehrer gehören, das steht heute fest, zu der Berufsgruppe, in der das Burnout-Syndrom besonders oft vorkommt. Die allgemeine Belastung ist hoch, das Ansehen des Berufs hingegen gering („Ist ja eh nur ein Halbtagsjob!“) und oft ist die Schere zwischen den eigenen Erwartungen und der Realität im Klassenzimmer weit geöffnet.
Thomas Unruh, Lehrer/innenbildner und Fachbuchautor in Hamburg hat im August 2012 seinen Leitfaden „Lebenslang Lehrer?“ veröffentlicht, in dem er acht ehemalige Lehrerinnen und Lehrer aller Altersstufen und Schulen zu Wort kommen lässt, die ihren Beruf aufgegeben haben und in unterschiedlichsten Branchen erfolgreich eine neue Existenz aufgebaut haben. So belasteten einen Gymnasiallehrer zB die umfangreichen Korrekturen am Wochenende sehr, ein früherer Berufsschullehrer berichtet über seine erheblichen Schwierigkeiten mit den Schüler/innen und eine Lehrerin hatte an ihrer Schule den Eindruck, zu „exotisch“ für den Betrieb zu sein, fühlte sich vom Kollegium und von den Lehrplänen zu stark eingeengt und verließ die Schule nach fünf Jahren Praxis.
Im zweiten Teil des Buchs listet Unruh Möglichkeiten und Alternativen auf, die Lehrer/innen, die mit ihrer Situation unzufrieden sind oder daran leiden, nutzen bzw. ergreifen könnten. Außerdem versucht Unruh, Entscheidungshilfen anzubieten, sowohl für angehende Studierende[1] als auch für Lehrer/innen[2], die sich mit dem Gedanken tragen, den Beruf aufzugeben. Der CCT-Fragebogen (Career Councelling for Teachers, Link siehe unten!) ist zB eine mögliche Hilfe, die der Autor anführt.
Der Titel „Lebenslang Lehrer“ impliziert wohl, dass dieser Beruf, wenn er aus den falschen Beweggründen gewählt wurde, eine harte Strafe sein kann. Nichtsdestotrotz liegt es an einem selbst, sagt uns der Autor, aktiv zu werden und seinem beruflichen Leben eine neue Richtung zu geben. Das Buch kann eine wertvolle Orientierungshilfe für angehende Studierende sein, die zwar den Lehrberuf anstreben, die aber nicht 100% sicher sind, ob das Studium des Lehramts die richtige Entscheidung für sie ist. Für sie sind die ausführlichen Statements der früheren Lehrerinnen und Lehrer, die von den Gründen für die Berufsentscheidung bis hin zu den Gründen für Berufswechsel reichen, gewiss interessant und hilfreich. Ob Pädagog/innen, die schon länger im Schuldienst tätig sind, von der Lektüre des Buches profitieren können, dürfte allerdings eher fraglich sein.
Das Buch
Unruh, Thomas, Lebenslang Lehrer? – Alternativen zum Lehrberuf 2012, Beltz, ISBN 978-3407626615
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