Plagiate – die Leiden der „Copy-And-Paste-Generation“

„Wenn man von einem Autor abschreibt, nennt man das Plagiat. Schreibt man von zwei Quellen ab, nennt man das Forschung“, meinte einmal der amerikanische Theaterautor Wilson Mizner. Auf der Homepage der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft findet man dieses Zitat noch um einige Sätze ergänzt: Schreibt einer aus vier Büchern ab, ist das eine Dissertation.  Hausarbeiten schreibt man am besten aus Wikipedia ab[1]).

Schon seit mehreren Jahren beobachten wir fassungslos, mit welcher Selbstverständlichkeit, ja Schamlosigkeit im universitären Bereich Leistung vorgetäuscht wird, indem nicht nur kleinere Teile aus den Werken anderer Autoren, sondern gelegentlich auch lange Textpassagen von anderen Urheber/innen fast unverändert als eigenes Gedankengut ausgegeben werden. Vieles ist verfügbar, alles scheint gratis zu sein – man braucht nur zuzugreifen… Und kaum eine/r merkt’s!

Konnte man das Schwindeln im Schulbereich bei kürzeren Arbeiten noch als lässliche Sünde abtun, die selten gravierendere Folgen als eine Ermahnung mit sich brachte, ist der Sachverhalt bei einer akademischen Abschlussarbeit schon schwerwiegender. So enthüllte z.B. der Salzburger Medienwissenschaftler Stefan Weber im Jahr 2006, dass 25 Seiten einer mit „Sehr gut“ beurteilten Magisterarbeit einer Universitätsassistentin beinahe wortwörtlich aus dem Internet stammten – mit dem peinlichen Ergebnis, dass der Frau der Titel nach einigem Hin und Her wieder aberkannt wurde. Im Jahr 2012 wurde einem Oberösterreicher von der Linzer Uni das Doktorat aberkannt, weil er die Hälfte seiner Dissertation im Jahr 2002 mit minimalen Veränderungen abgeschrieben hatte, indem er lediglich Jahreszahlen und Abkürzungen ausschrieb und den Rest beließ, wie er im Original war.

Das Internet: ein Füllhorn zur Selbstbedienung?

Die rasante Entwicklung des Internets zum umfassenden Speicherort für alle Arten von digitalen Daten macht es uns seit Jahren immer leichter, Zugang zu früher oft nur schwer erhältlichen bis kaum verfügbaren Quellen zu erhalten. „Information at your fingertips“ propagierte Bill Gates schon Mitte der 90er Jahre – was sich damals kaum jemand als realistisch vorstellen konnte, existiert heute. Nur: wie gehen wir mit dem reichhaltigen Angebot um? Warum für Dinge wie Zeitschriften, Bücher, Musik und Filme zahlen, wenn es diese – über diverse dubiose Server – auch „gratis“ gibt? Warum die Urheber von Werken anführen, wenn man mit Word so vieles rasch bearbeiten, abändern und als eigenes gedankliches Eigentum verkaufen kann? Gerade die „Internet-Natives“, also die Jugendlichen, die mit dem Web seit ihrer Kindheit bestens vertraut sind, haben oft die Einstellung, dass alles, was im Netz verfügbar ist, auch gratis sein muss. Und die immer erfolgreichere Piratenpartei (Nomen est Omen!) betrachtet das Internet als Selbstbedienungsladen und das Urheberrecht als obsolet.

Mehrere deutsche und österreichische Politiker/innen brachten es damit in den letzten Jahren zu zweifelhafter Medienpräsenz, weil sie ihre wissenschaftlichen Arbeiten nicht sauber verfasst, sondern dreist von anderen Quellen geklaut hatten. Bekanntester Plagiator wurde 2011 wohl Karl-Theodor zu Guttenberg, der sich nicht entblödete, in seiner Dissertation auf 371 von 393 Seiten das geistige Eigentum anderer als eigenes auszugeben und nach einer hochnotpeinlichen Befragung im deutschen Bundestag deswegen sein Ministeramt zurücklegen musste. Derzeit ist gerade die deutsche Bildungsministerin Annette Schavan im Gerede, die beträchtliche Teile ihrer vor über 30 Jahren eingereichten Doktorarbeit abgekupfert haben soll und damit nach Bernd Althusmann bereits die zweite Bildungspolitikerin ist, die es beim Verfassen ihrer Dissertation mit der Quellenangabe nicht besonders genau genommen hatte. Derzeit prüft die Uni Düsseldorf Schavans Arbeit[2]).

Ein Kollege, der an einer Pädagogischen Hochschule Deutsch unterrichtet, erzählte mir neulich bestürzt von seinen Erfahrungen mit Studierenden des 2. Semesters. Denn nur etwa ein Drittel von ihnen hatte sich die Mühe gemacht und für ein Referat eine eigene Power-Point-Präsentation und ein eigenes Handout erstellt. Zwei Drittel hingegen hatten „ihre“ Arbeiten mehr oder weniger durch „copy & paste“ – teilweise aus fragwürdigen Quellen – zusammengebastelt. Als er sie zur Rede stellte, gaben nur wenige Studierende an, in der Schule je gelernt zu haben, wie man wissenschaftlich arbeitet und wie man mit fremdem geistigem Eigentum umgeht.

Ob das nun stimmt oder nicht: das Problem ist leider nicht nur im Hochschulbereich höchst virulent, gerade an unseren Schulen wird plagiiert, was das Zeug hält – und nur in wenigen Fällen bemerkt jemand, dass eine schriftliche Arbeit in Teilen oder auch ganz abgeschrieben bzw. kopiert wurde.

Wie aber können wir Plagiate festmachen? Eine einfache und auch billige Methode ist es, fragwürdige Textpassagen in Anführungszeichen zu googeln und zu hoffen, dass der/die Schüler/in die inkriminierte Stelle 1:1 kopiert und eingefügt hat. Zielführender ist es  jedoch, entsprechende Software, wie z.B. PlagAware, Turnitin, Ephorus oder PlagScan[3]) zu nutzen. Die kostet zwar Geld und Zeit, funktioniert aber mittlerweile ausgesprochen gut. (Wichtig in diesem Zusammenhang wäre, dass das Ministerium sich für ein gutes Produkt entscheidet und allen Bundesschulen den Zugang dazu anbietet!)

Die empfehlenswerteste Methode scheint aber der Weg zu sein, den man an der Kepler-Universität in Linz gehen wird. Dort werden ab dem Sommersemester 2012 alle Abschlussarbeiten für Master-, Magister- und Doktortitel im Internet publiziert. Somit verschwinden diese nicht in irgendeinem Archiv, sondern werden von Google erfasst und sind für jedermann/frau zugänglich.

Für den schulischen Bereich scheint eine ähnliche Vorgangsweise sinnvoll. So müssen die Jugendlichen der „Copy-And-Paste-Generation“ zuerst einmal lernen, was man unter Urheberrecht versteht, wie sie wissenschaftlich korrekt arbeiten und dass einem eben nicht alles gehört, was im Internet quasi frei verfügbar ist. Veröffentlicht man sämtliche vorwissenschaftlichen Arbeiten und Diplomarbeiten auf der Schulhomepage oder vielleicht gar bundesweit auf einem dafür speziell eingerichteten Server, muss ein/e Plagiator/in damit rechnen, dass der Betrug früher oder später auffliegen wird. Und dass ein Diebstahl von geistigem Eigentum mitunter auch noch nach Jahrzehnten für sie/ihn höchst unangenehme Folgen zeitigen kann!

 

Weitere Informationen
http://plagiatsgutachten.de/index.html abgerufen am 12. 6. 2012
http://de.guttenplag.wikia.com/wiki/GuttenPlag_Wiki abgerufen am 4. 6. 2012

Interessant für:
Deutsch, Englisch, Medieninformatik, Politische Bildung und Recht

<rw>


[1]) http://plagiat.htw-berlin.de/ abgerufen am 12. 6. 2012

[3])           Vergleich von Plagiatsoftware:
http://plagiat.htw-berlin.de/software/2010-2/testuebersicht/ abgerufen am 4. 6. 2012