Raum zum Lernen – Schulhausarchitektur im Wandel der Zeit

Wann immer ich Freund Othmar in seiner Schule in Mils in Tirol besuche, bin ich erstaunt, wie entspannt die Atmosphäre in diesem Gebäude auf mich wirkt. Komme ich gerade zu einer Zeit, in der Unterricht stattfindet, muss ich vorsichtig über zwei, drei Schüler/innen steigen, die es sich irgendwo am Gang im Eingangsbereich gemütlich gemacht haben und mich zu meinem Erstaunen kaum registrieren, so vertieft sind sie in ihre Arbeit.

Die Türen zu den Klassen sind meist offen, Kinder sind auf den Gängen unterwegs, andere befinden sich in den Klassenräumen, die alle miteinander verbunden sind. Die Stimmung im Gebäude, so vermutet man als Besucher, ist bestens, der Raum als „dritter Pädagoge“ wirkt großartig an diesem Ort und kooperiert wunderbar mit Lehrer/innen und Schüler/innen! „Räume unterstützen oder verhindern das Lernen, sie bestimmen, ob Schulen Lehranstalten oder Häuser des Lernens sind – Lehrräume oder Lebensräume,“ meint Michael Schratz in der ILS-Mail und er hat recht.Volksschule Mils

© Othmar Gasser

Die Volksschule Mils wurde im Jahr 2009 eröffnet und der Schulleiter und der Bürgermeister des Orts hatten sich jahrelang bemüht, ein besonderes Gebäude zu schaffen, und deswegen eng mit dem Architekten zusammengearbeitet. Offenheit und Transparenz: diese beiden Elemente waren dem Schulleiter wichtig, nicht nur in pädagogischer Hinsicht, sondern auch in architektonischer. Und diese beiden Gesichtspunkte prägten von allem Anfang an das Bauprojekt. Das Ergebnis: ein gelungenes Schulgebäude mit einer besonderen Infrastruktur, in dem sich alle am Schulleben Beteiligten gerne aufhalten.

So sind zB sämtliche Klassenzimmer nach Süden ausgerichtet und statt mit Kreidetafeln mit interaktiven Tafeln und mehreren PC ausgestattet. Das Gebäude verfügt ua über eine geräumige Bibliothek, einen Musikraum, eine Schulküche, breite, lichtdurchflutete Gänge, ein angenehmes, helles Konferenzzimmer und einen Schulgarten auf dem Dach.

Freilich, wenn man will, kann man an vielen Orten lernen. Nur dürfte der „Wohlfühlfaktor“ das Lernen eben positiv beeinflussen, besonders, wenn die Klassenräume nicht an lieblos gestaltete Kasernenräume erinnern, sondern so ausgestattet sind, wie man sein Zimmer zuhause hat bzw. gerne hätte.
„Jeder Ort erzeugt die ihm eigenen Stimmungsbilder und schafft über das Zusammenspiel von Rhythmen, Formen, Farben und Menschen raumspezifische Atmosphären, die vom Menschen körperlich-sinnlich und seelisch-geistig erfahren werden,“ schreibt Erwin Frohmann in seinem Aufsatz „Schulfreiräume, Orte der Begegnung “.

Die Gestaltung der Innenräume erfolgte an dieser Schule durch eine Feng-Shui-Spezialistin. Selbst manch konservativer Zeitgenosse, dem die bunte Schule ursprünglich missfallen hat, muss heute, nach einer kurzen Eingewöhnungszeit, zugeben, dass es sich nicht nur außen, sondern auch im Innenbereich architektonisch um ein wirklich gelungenes Beispiel handelt, denn dieses Gebäude besitzt definitiv seine eigene Identität und Individualität.

Für viele von uns mutet ein solch einladender Ort wie die Milser Volksschule utopisch im wahren Sinn des Wortes an. Denn an nicht wenigen Schulen haben die Lehrerinnen und Lehrer gerade einmal einen Sitzplatz im Konferenzzimmer, aber oft keinen Zugang zu einer Infrastruktur, die gutes Arbeiten ermöglichen würde. Eine flächendeckende Adaptierung unserer alten Schulbauten in „Häuser des neuen Lernens” wird viel Geld verschlingen, doch handelt es sich dabei um Investitionen, die sich mittel- bis langfristig lohnen werden, geht es doch um nichts Geringeres als die Zukunft unserer Kinder!

PS: Möchten Sie im HUM-Magazin Ihre Schule vorstellen? Wir würden uns über Ihren Beitrag sehr freuen!

Weiterführende Links

  • Schularchitektur – Die Grundschule als gestalteter Lebens- und Erfahrungsraum für Kinder:
    http://www.kphvie.ac.at/kompetenzzentren/grundschulpaedagogik/arbeitsschwerpunkte/schularchitektur.html
  • Materialien zur Schularchitektur:
    http://www.adz-netzwerk.de/Peter-Huebner-Materialien-zur-Schularchitektur.php

(rw)